Kurzgeschichte

Brief an Herrn Kretschmann

von Frank Phil Martin

Lieber Herr Kretschmann,

seit meinem letzten Brief ist es schon ein Weilchen her, und ich muss ehrlich sagen, ich bin froh, dass Sie mir nicht zurückgeschrieben haben, oder ihr namenloser Mitarbeiter vom Staatsministerium. Das hat sicherlich einen guten Grund, denn in der Krise sind Sie voll gefordert und brauchen alle Ihre Kräfte. Da kann man sich nicht auch noch mit kritischen Briefen von halb-intellektuellen Bürgern herumschlagen. Also, weiter so – bin nicht böse!

Es freut mich aber zu hören, dass Sie meinem Rat gefolgt sind und zwischenzeitlich Prof. Dr. Streek und Prof. Dr. Bhakdi in Ihr Beraterteam berufen haben. Ich bin sicher, Sie werden es nicht bereuen, es sind ganz reizende, sympathische Zeitgenossen, noch dazu mit einer großen Expertise, die sie nun nutzen können. Der eine ist sogar Buddhist und kann in den Pausen vielleicht für alle eine kurze Meditation anbieten, um den Kopf wieder frei zu bekommen.

Ich bin ja inzwischen Überzeugt, dass die Regierenden Informationen besitzen die der gemeine Bürger nicht hat. Anders lässt sich die Beibehaltung der Maßnahmen nun nicht mehr erklären. Es gibt ja erste Hinweise, dass das Virus nicht einfach von Tier zu Mensch übergesprungen ist, sondern vielleicht ein kleines, natürlich unabsichtliches Missgeschick, aus dem Labor in Wuhan gewesen war. Die Sicherheitsbestimmungen sind ja dort nicht die allerbesten – wie man hört. Vielleicht hat die Putzfrau versehentlich ein Reagenzglas umgeworfen dessen Inhalt irgendwie nach draußen gelangt ist – nun fange ich schon an zu spekulieren, Schluss damit! Aber es könnte ja sein, dass Sie mehr über das Virus wissen als sie uns sagen? Das würde natürlich vieles erklären.

Dass Sie vor ein paar Tagen in Tegel ohne Maske erwischt worden sind (Schelm), das finde ich persönlich nicht schlimm. Wieso regen sich da alle auf? So wie es aussieht, waren Sie gerade beim Essen und haben was geknabbert, das geht ja nun mal nicht mit Maske. Außerdem achten Sie auf ihre Gesundheit, das habe ich jetzt verstanden, den es gibt Stimmen die behaupten, Masken seien Gesundheitsschädlich, z. B. die WHO, die kennen sich anscheinend mit sowas aus, ja!, weil sich durch die feuchte Atemluft, Pilze und Bakterien ansammeln, die dann wider eingeatmet werden. Insofern bin ich froh, dass Sie auf Ihre Gesundheit achten und das nicht tun, schließlich gehören Sie, mit Verlaub, auch bereits zur Risikogruppe. Dementsprechend besorgt war ich auch, als Sie letztens verkündeten, sie trügen im Flieger nur FFP3-Masken, nur gut das sie DAS nicht gemacht haben. Aber, da ja nicht alle so kulant sind wie ich, rate ich Ihnen das nächste Mal Ihre Aussagen mit Ihren Handlungen besser abzustimmen – sie sehen schon, ich könnte mich fast als Berater empfehlen, aber, vergessen Sie`s – war nur so ein Gedanke …

Ach ja, neulich beim Ministerpräsidententreffen (uff, was für ein Wort!) wurden ja auch keine Masken getragen und auch kein Sicherheitsabstand eingehalten. Sicher hatten alle Kollegen ein Attest und eine Befreiung vom Hausarzt, es lässt sich halt schon besser ohne Mundschutz kommunizieren – Gell? Ich hoffe nicht, dass die Kollegen ernsthafte Vorerkrankungen haben, die das Tragen einer Maske verbieten, sondern nur einen leichten Heuschnupfen – der kann ja auch ganz schön lästig sein, besonders wenn wie jetzt, im Mai/Juni, die Pollen rumfliegen, da ich Ur-Berliner bin, weiß ich wovon ich rede …oder aber alle sind gesund, was ich hoffe, dann gibt es inzwischen sicher Mutationen, von denen wir nichts wissen. Also, offensichtlich einen etwas harmloseren “Politiker-Keim“ und den gefährlicheren “Bürger-Keim“, wir werden mal wieder im Unklaren gelassen – also hierzu würde ich mir wirklich etwas mehr Infos wünschen.   

So, aber jetzt noch mal zurück zu Ihren neuen Mitarbeitern Streek und Bhakdi, Sie haben ja im Terminal sicher sein Buch gelesen, um auf dem neuesten Stand zu sein. Das sieht Ihnen ähnlich, immer gut informiert – Chapeau! Aber auf Streek müssen Sie aufpassen, der hat ja mal gesagt: „Wäre uns der Virus nicht  aufgefallen, hätte man vielleicht gesagt, wir haben dieses Jahr eine schwere Grippewelle“, ja, ja, typisch heißblütiger Virologe, nichts als Flausen im Kopf, also passen Sie auf was er beim nächsten Meeting sagt, nicht das er die Gefahr des Killervirus herunterspielt.   

Abschließend muss ich Ihnen noch von etwas berichten, worüber ich sehr dankbar bin. Wir dürfen jetzt wieder in unserer Kantorei singen – ja, wer glaubt den sowas? Gut, natürlich mit entsprechenden Sicherheitsbestimmungen, versteht sich! Wir waren eine Gruppe von zehn Personen und jeder musste sechs Meter Abstand zum Nachbarn einhalten, dementsprechend hatten die beiden äußeren einen Abstand von beinah sechzig Metern (zum Glück ist die Kirche groß genug) – das war ein völlig Neues Klanggefühl, allerdings habe ich die anderen kaum gehört und hätte auch alleine im Wohnzimmer singen können, wäre vermutlich sowieso sicherer gewesen. Aber, es war schon schön alle mal - von weitem - Wiederzusehen. Etwas Wehmut schwang aber doch mit und wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich mir schon den “Politiker-Keim“ gewünscht. Diese verdammten Aerosole, warum müssen die auch derart weit fliegen …? Aber stimmt das eigentlich? Nein! Laut der Minimallufttheorie von Paul Bruns wird beim Singen weniger Luft verbraucht als beim Sprechen. Machen Sie den Selbstversuch und halten sie eine brennende Kerzen vor den Mund, sprechen sie zum Beispiel die Zeile: "Ich bin der König im Affenstall mit neuem Denkansatz ..." und dann singen sie den Text, Sie werden feststellen, dass die Kerze beim sprechen mehr flackert als beim singen. Ich mag mir garnicht vorstellen, was es mit unserer Gesellschaft und dem sozialen Gefüge kurz-, mittel und langfristig macht, wenn dieser heilende und verbindende Ausdruck unseres urinnersten Menschseins wegbricht?

In diesem Sinne denken Sie nochmal nach

und passen Sie auf sich auf!

Ihr

Frank Phil Martin

 


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