Kurzgeschichten

1000 und eine Nacht

von Frank Phil Martin

Geschichten aus tausendundeiner Nacht. Was haben wir sie als Kinder geliebt!

Die Faszination von fliegenden Teppichen und immer die Frage, warum man da nicht runterfällt? Von schönen Frauen in Harems, in leicht bekleideten, halbdurchlässigen Stoffen bei denen die pralle Weiblichkeit zu erahnen war. Da war Aladin und die Wunderlampe, mit dem furchteinflößenden Flaschengeist, der, als er freigelassen, zunächst ungehalten war, da er vermutlich mehrere tausend Jahre in der engen Flasche verbringen musste.

Dann aber, nach Gemotzte und Geschimpfe, sich doch seiner Bestimmung besann und Aladin die berühmten drei Wünsche erfüllte – zu mindestens solche, die in seiner Macht standen. Oder auch Alibaba und die vierzig Räuber. Offensichtlich waren sie Höhlenbewohner mit Geheim-Code: “Sesam öffne Dich!“, also damals schon eine Akustisch gesicherte Alarmanlage – sehr fortschrittlich aus heutiger Sicht. Aber auch dieser Code blieb nicht lange geheim und die Räuber wurden zu beraubten.

Und dann war da noch: Der kleine Muck, mit seinen Zauberschuhen die mich besonders faszinierten, da auch ich dem Laufsport immer zugetan war. Und natürlich die daraus resultierende Frage, wie man in Schuhen mit Übergröße so schnell laufen kann? Wer hielt bei diesen Geschichten nicht den Atem an?

Und was hatten wir?

Den Wolf und die sieben Geißlein, oder Rotkäppchen, aber mal ehrlich, dagegen waren doch Grimms Märchen was für Babys. Selbst Räuber Hotzenplotz, Peterchens Mondfahrt oder das fliegende Klassenzimmer konnten da kaum mithalten. Sicherlich lag die Faszination dieser orientalischen Geschichten an ihrer Fremdartigkeit, weit-weit-weg, unerreichbar, eine unbekannte Welt, vollkommen ungewöhnlich und seltsam exotisch. Mit den Jahren allerdings, ist uns diese Welt näher gekommen.

Wir haben sie vor allem durch Schreckensmeldungen kennengelernt, durch Kriege, Wirren, Aufstände und Umbrüche. Im Zuge der Globalisierung und Völkerwanderung kamen etliche Menschen bis zu uns und ihre Kultur kollidiert bis heute mit der unseren.

Aber was wissen wir eigentlich wirklich über den Orient?

Oder kennen Sie Unterschied zwischen Kalif, Großmogul und Sultan? Haben sie jetzt auch Raumgreifende Moppel im Kopf? Bewegungslos auf einem Thron sitzende Personen, mit gefühlt hunderten Kissen abgestützt, herrschende Dickerchen mit fleischigem Grinsen in unglaublichem Prunk und Glanz, bei denen die jeweilige Wichtigkeit, der vornehmlich älteren Herren, von der Länge der Bärte und ihrem Taillenumfang abzulesen war. Gibt es die heute immer noch? An dieser Stelle kann ich Sie beruhigen, es gibt sie in dieser Form nicht mehr. Der letzte Kalif Abdülmecid II. wurde 1924 von der türkischen Nationalversammlung abgesetzt und das Kalifat beendet.

Bereits zwei Jahre zuvor musste Sultan Mehmet Vahideddin der VI. fluchtartig das Land verlassen, da die Briten das Land unter ihre Verwaltung gebracht hatten. Aber der italienische König Viktor Emanuell der III. (Was, Italien hatte tatsächlich einen König? Habe wohl in der Schule nicht aufgepasst!) stellte ihm eine Bescheidene Villa an der italienischen Riviera in San Remo zur Verfügung, wo er noch vier Jahre verbrachte und dann starb. Da die Türken zwischenzeitlich die Republik ausgerufen hatten, kam eine Wiedereinführung des Sultanats nicht mehr infrage. Sultan bedeutet übersetzt: “Herrscher“, oder auch, “der Starke“, diese gab es seit dem 10ten Jahrhundert, vor allem in Indien und im Osmanischen Reich.

Interessanterweise wurden die ersten Sultane 1055 von einem Kalifen ins Amt gehievt. Von 16ten bis zum 19ten Jahrhundert wurden die Sultane gleichzeitig auch Kalifen und die Kalifen, damit wohl überflüssig, wurden dann abgeschafft. Und es gab, man kann es kaum glauben, auch weibliche Sultane, nur hießen die dann “Sultana“ im Emirat von Cordoba, allerdings im heutigen Spanien, und nicht in Argentinien, dessen Name den Fußballfans bekannt sein dürfte – , weil die Bundesdeutsche Truppe, unter Helmut Schön, seinerzeit gegen die Ösis verloren hatte. Und Mogul? Diese lebten vor allem in Indien, ein Mogulreich war ein von 1526 bis 1858 bestehender Staat. Dieser Begriff allerdings hat selbst in unseren Sprachgebrauch Einzug gehalten, wir sprechen heute noch von Medien-Mogul oder einem Großindustriellen-Machtmensch.

Ein Pascha war ab dem 15ten Jahrhundert im osmanischen Vizekönigreich Ägypten der höchste Zivilbeamte und des Militärs. Bis Mitte des 19ten Jahrhunderts erhielt der Stadthalter einer Großprovinz den Titel des Paschas verliehen, ihm unterstanden mehrere Gouverneure der Unterprovinzen. Also im Grunde der Stand eines heutigen Ministerpräsidenten.

Ein Mufti dagegen war ein Rechtsgelehrter, der insbesondere das Islamische Recht im Sinne der Scharia auslegte. Trotz der Trennung zwischen Staat und Religion, wurde er auch bei weltlichen Rechtsstreitigkeiten hinzugezogen. Viele Weitere Begrifflichkeiten von Titeln tummeln sich in den Analen. Es sind Namen wie: Efendi, Emir oder Hadschi. Allerdings war der vielleicht bekannte Hadschi Halef Omar nur eine Literarische Figur, aus verschiedenen Abendteuern von Karl May.

Zum Schluss bleibt noch zu klären, warum heißt es tausendundeine Nacht?

Wenn man den Quellen glauben darf, so ist diese Geschichte mindestens genauso Spannend wie eine aus der Sammlung selbst, die nicht ohne Grund zu einer Perle der Weltliteratur geworden ist. Die beiden Brüder Shahiyar und Schahsamen, Herrscher von Indien, China und Teilen von Persien wurden von ihren Ehefrauen heimtückisch hintergangen und waren entsprechend erbost.

Daraufhin zogen sie in die Weite Welt um herauszufinden wie es möglich wäre, Macht und Kontrolle über das weibliche Geschlecht zu erhalten. Mussten aber bald feststellen, dass keine Macht auf Erden dazu in der Lage war – daran hat sich bis heute nichts geändert. Selbst dem Zaubern kundige, mächtige Geisteswesen haben bei diesem Versuch verzweifelt das Handtuch geworfen. Enttäuscht und erzürnt zugleich griff Schahsamen daraufhin zu einem grausamen Mittel. Er heiratete, zu Hause angekommen, jede Nacht eine neue Frau, nur um sie nach der Hochzeitsnacht – so viel Zeit muss sein – Tags darauf hinzurichten. (Das kann sich auch nur ein König erlauben).

Nach etlichen Bluttaten aber, meldete sich beherzt die Tochter seines Visiers zum Heiraten an, verlangte aber, ihre kleine Schwester mitzunehmen. In der Nacht wünschte sich diese eine Geschichte, vermutlich weil sie nicht schlafen konnte – typisch kleine Schwester, und die junge Braut begann zu erzählen. Auch Schahsamen der Frauenschlächter hörte gebannt zu. Allerdings verriet sie nicht das Ende und so kam es, dass der König die geplante Hinrichtung um einen Tag verschob um den Ausgang ihrer Ausführungen zu erfahren – ich vermute sie setzte an dieser Stelle einen geschickt platzierten Cliffanger.

In der zweiten Nacht erzählte sie das Ende der ersten Geschichte und begann eine Neue, deren Ausgang sie wieder offen ließ. Der König, erneut begeistert, verschob ein zweites Mal die Hinrichtung! Sie ahnen wie es weitergeht – sie erzählte auf diese Weise tausendundeine Nacht lang Geschichten - Nur gut, dass sie so viele auf Lager hatte – und hielt den König solange in dem Bann ihrer Worte.

Zum Schluss das Happy End

Der Frauenmörder wurde zum Frauenversteher, ging geläutert aus den Erzählnächten hervor und verschonte ihr Leben. Viele Erzählungen aus damaliger Zeit sind leider verloren gegangen. Was uns bleibt, sind die uns bekannten und faszinierenden Geschichten aus tausendundeiner Nacht.

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